März 2018┃Türkische Erziehung - Teil 1

Es ist wahrscheinlich für niemanden eine Überraschung, dass die Türkische Erziehung anders als die Deutsche ist. Sucht man bei Google "Türkische Erziehung", findet man vor allem Artikel von türkischstämmigen Personen, die in Deutschland leben.

Ein witziges und irgendwie auch typisches Beispiel ist der Artikel von Nur Şeyda Kapsız. Sie ist in Berlin geboren und aufgewachsen und schreibt über ihre Kindheit mit Eltern aus der ersten Gastarbeitergeneration in Deutschland. Auch in der "Zeit" gibt es einen Artikel über Türkische Erziehung. Er bezieht sich zwar mehr auf die Erziehung (oder nicht Erziehung) von Jungen in der Türkischen Kultur und Tradition, ist aber auch sehr interessant.

Hier soll es aber mehr um meine Eindrücke der Türkischen Erziehung in der Türkei gehen. Ich habe bisher kein Kind in Deutschland bekommen, deshalb kann ich schlecht vergleichen, ob einige Situationen in Deutschland genauso wie hier in der Türkei passieren würden. Vieles ist natürlich auch bedingt durch unsere individuelle Situation und die Herkunft der Familie meines Mannes. Meine Schwiegereltern kommen aus dem Osten der Türkei und sind in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Ihre Kinder haben sie zum größten Teil so erzogen, wie sie selbst erzogen wurden.

Die ersten 40 Tage


In den ersten 40 Tagen nach der Geburt eines Babys ist es in der Türkei üblich, dass Mutter und Kind das Haus nicht verlassen. Soweit ich diesen Brauch verstanden habe, gibt es sowohl religiöse Gründe als auch traditionelle. Außerdem sollen Mutter und Baby in dieser Zeit nie allein bleiben, deshalb zieht oft eine erfahrene Mutter (die eigene Mutter oder die Schwiegermutter) für 40 Tage bei der jungen Familie ein.

Heute bleiben längst nicht mehr alle jungen Mütter in der Türkei für 6 Wochen zu Hause. Zum einen gibt es diverse ärztliche Kontrollen, zu denen man gehen muss, und zum anderen ist das auch einfach oft logistisch (vor allem wenn es mehr als ein Kind in der Familie gibt) nicht möglich. Interessant war es für mich, dass einige Frauen diese Zeit einfach halbieren. :) Das ist so typisch Türkisch! Sie bleiben einfach 20 Tage im Haus und damit ist die Sache für sie erledigt.

Mein Mann nimmt einige solcher Bräuche sehr ernst und wollte gern, dass ich mit unserer Tochter ebenfalls nie allein bin und wir zu Hause bleiben. Was soll ich sagen, 14 Tage war meine Schwiegermutter mit bei uns im Haus. Nie wieder! Dann kamen zum Glück meine Mutter, meine Schwester und meine Neffen für eine Woche zu uns. Mit 21 Tagen waren unser Mädchen und ich endlich allein und wir haben es sehr genossen! :)

In der Türkei ist es üblich, dass man sowohl im Krankenhaus nach der Geburt als auch zu Hause jede Menge Besuch bekommt. Mir war es im Krankenhaus definitiv zu viel, vor allem da einige Besucher sich tatsächlich stundenlang bei mir im Zimmer aufgehalten haben. Ich hatte einen Kaiserschnitt und war nicht wirklich fit, darauf wurde aber keine Rücksicht genommen. Zu Hause haben mich die Besucher nicht gestört. Unser Mädchen hat fast immer geschlafen und somit waren wir oben und haben uns ausgeruht. Außerdem war meine Schwiegermutter wenigstens durch die Besucher beschäftigt und saß nicht ständig neben dem Bett unserer Tochter. ;)

Kleidung und Krankheiten


Immer, wenn ich hier türkische Kinder sehe, sind sie für meine Begriffe viel zu dick angezogen. Sie tragen meist viele Schichten Kleidung, sind so gut wie nie barfuß unterwegs und gerade zum Schlafen werden sie so richtig schön eingepackt. Außerdem werden die Häuser extrem geheizt, sodass es überall mindestens 22 bis 24 Grad Celsius warm ist und für die Nacht wird die Heizung noch ein bisschen mehr aufgedreht. Trotzdem frieren viele Türken (Kinder und Erwachsene) gerade nachts. Durch das ständige Einpacken in Pullover und Wolldecken hat ihr Körper nicht gelernt, selbst Wärme zu entwickeln.

Mein Mann ist so ein Beispiel. Während ich in T-Shirt und dünner langer Schlafanzughose schlafe, trägt er mindestens ein Unterhemd, ein T-Shirt und einen Pullover (manchmal 2), seine dickste Jogginghose und in jedem Fall Socken. Nach fast 4 Jahren hat er sich nun ganz langsam daran gewöhnt, dass die Heizung im Schlafzimmer für mich aus sein muss und diesen Winter zum ersten Mal nicht gefroren!

Für unser Mädchen bedeutete dies natürlich, dass sich jeder, wirklich jeder, in ihre Kleidung eingemischt hat. "Sie ist zu dünn angezogen." "Zieh ihr etwas aus Wolle unter! Sie hat kalte Wangen." "Wo ist denn ihre Weste? Sie muss über dem Pullover eine Wollweste tragen." Am Anfang war ich durch die Kommentare wirklich verunsichert, aber inzwischen ist es ganz eindeutig. Unser Mädchen ist gut angezogen, wenn sie so angezogen ist wie ich. Als sie noch nicht so mobil war, brauchte sie manchmal eine Schicht mehr als ich, also einen dünnen Unterhemdbody oder ein dünnes T-Shirt. Nachts kann ihr Körper ganz hervorragend sich selbst wärmen, deshalb trägt sie nur einen dünnen Schlafanzug ohne Füße. Wenn es mal besonders kalt ist, einen Kurzarmbody und ihren Schlafanzug. Das reicht in ihrem Schlafsack völlig.

Hier in der Türkei haben wir im Sommer durchschnittlich 35 bis 40 Grad Celsius. Trotzdem sieht man ganz viele Babys und Kleinkinder auch bei diesen Temperaturen mit Socken. Ich hatte zuerst gedacht, es gäbe dafür einen besonderen Grund und deshalb unseren Kinderarzt befragt. Er lachte über meine Frage und meinte, das wäre einfach kulturell bedingt. Niemand könne sich an den Füßen erkälten, auch wenn das immer wieder behauptet wird. Ich solle unserer Tochter keine Socken anziehen, schließlich stamme ich aus einer anderen Kultur! :)

Ich vermute, dass die viele Kleidung mit der Angst vor Krankheiten zu tun hat. Egal, was man macht und wo man ist, ständig sagt einem in der Türkei jemand "Mach X und Y, nicht dass das Kind krank wird." "Schnell raus aus dem Wind, das Kind wird sich bestimmt erkälten." "Aber wenn sie krank wird...?" Solche und ähnliche Kommentare bekommen wir wirklich oft zu hören, sowohl von Bekannten als auch von Fremden.

Unsere Tochter hatte sich im Alter von 3 Monaten mit dem RS Virus bei ihrem Vater angesteckt. Da wir mit ihr aufgrund von Atemnot ins Krankenhaus mussten, hatten wir es sogar schwarz auf weiß. Ganz eindeutig eine Virusinfektion. Trotzdem mussten wir uns von allen Seiten anhören, dass wir nicht genug aufgepasst hätten, sie zu dünn angezogen wäre, ihre Kleidung und Spielzeuge besser ausgekocht werden müssten usw. Zu dieser Zeit hatte ich durch die vorherigen Erfahrungen schon ein etwas dickeres Fell und habe nicht wirklich viel darauf gehört. Was mich aber wirklich schockiert hat, war eine Nachbarin, die zu ihrem Kind sagte: "Guck mal, die XY war zu ihrer Mama frech, deshalb ist sie jetzt krank." Das war echt der Gipfel! Und mit Sicherheit der Beginn für die nächste Generation, die panisch wird, wenn ein Kind mal krank ist...

Essen, Schlafen & Fernsehen


Zum Thema Essen in der Türkei habe ich schon ein wenig in meinem Artikel über Baby Led Weaning geschrieben. Grundsätzlich herrscht in der Türkei noch immer die Meinung vor, je mehr Babys und Kleinkinder essen, desto besser ist es für sie. In dem oben erwähnten Artikel von Nur Şeyda Kapsız geht es auch um diese Türkische Eigenart. Türkische Kinder sollen nicht essen, bis sie satt sind, sondern am besten alles, was auf ihrem Teller ist. Tun sie das nicht, kann man oft verschiedenste Drohung hören. "Sonst scheint morgen die Sonne nicht." gehört nicht mit dazu und wäre hier auch wirklich unglaubwürdig. ;)

In Deutschland (und vielen anderen Ländern) als gefährlich geltende Lebensmittel werden Kindern hier teilweise schon sehr früh gegeben. Ich werde meist ziemlich nervös, mische mich aber nicht ein, solange es unser Kind nicht direkt betrifft. Unter anderem essen viele türkische Kinder schon mit 1 Jahr Nüsse und Weintrauben, beides Lebensmittel, die zum Erstickungstod führen können. Alles andere zur Ernährung ist in jeder Familie unterschiedlich, denke ich, lediglich die großen bis riesigen Portionen für Kinder scheint es überall zu geben.

Wenn es um das Schlafen unserer Tochter geht, werden wir oft belächelt. Ohne dass wir je Einfluss darauf genommen hätten, geht sie im Moment gegen 19 Uhr ins Bett. Das ist für türkische Verhältnisse unglaublich früh. Oft sieht sie ihren Vater auch abends gar nicht, da er zwischen 19 und 20 Uhr von der Arbeit nach Hause kommt. Unser Mädchen steht aber auch zwischen 6 und 7 Uhr auf, was wiederum in der Türkei als unglaublich früh gilt.

Kinder unserer Freunde gehen irgendwann zwischen 22 und 1 Uhr ins Bett (auch die ganz Kleinen!), viele einfach gemeinsam mit den Eltern. Natürlich stehen sie dann auch dementsprechend spät auf. Wir kennen viele Eltern, die die Kinder nicht ins Bett bringen oder beim Einschlafen begleiten, sondern darauf warten, bis die Kinder so müde sind, dass sie von selbst schlafen gehen. Obwohl ich viel von Selbstbestimmung bei Kindern halte, gefällt mir diese türkische Herangehensweise nicht wirklich.

In den Familien läuft meist den ganzen Abend (oder den ganzen Tag) der Fernseher, es ist laut und hell, sodass den Kindern das Einschlafen wirklich schwer fällt, wenn sie nicht total müde sind. Bis zu einem gewissen Alter möchte ich unserer Tochter eine Einschlafbegleitung anbieten, weil ich glaube, dass sie davon und von einem guten Nachtschlaf wirklich profitiert.

Fernsehen ist für Kinder in der Türkei quasi überhaupt nicht reglementiert. So lange, bis der Fernseher ausgeschaltet wird, weil die Erwachsenen schlafen gehen, oder bis der Strom ausfällt (passiert hier sehr oft!), können Kinder fernsehen. Es ist den meisten Eltern auch egal, was die Kinder sich ansehen. Unsere Tochter hat bis jetzt, sie ist knapp 15 Monate alt, bei uns zu Hause noch nie ferngesehen. Auch wenn wir irgendwo zu Besuch sind, bitte ich meist darum, dass der Fernseher ausgeschaltet wird. In der Regel wird das auch akzeptiert.

Hier in der Türkei gibt es überall Fernseher, die dauerhaft in Betrieb sind. In Einkaufszentren, in Restaurants, teilweise in Supermärkten und inzwischen auch bei einigen Leuten auf dem Balkon, da lässt es sich im Sommer besser gucken. ;) Mir gefällt weder das türkische Fernsehprogramm noch diese Dauerbeschallung und selbst mein Mann, der aus einer Familie mit Fernsehern in Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer kommt, sitzt manchmal lieber einfach auf dem Balkon als vor der Flimmerkiste.

Natürlich werden wir schief angeguckt, wenn wir erzählen, dass unser Mädchen kein Fernsehen guckt. :) Aber daran haben wir uns ja inzwischen gewöhnt. Wir wurden auch schon gefragt, wann sie denn mal fernsehen dürfe, nicht dass sie da was verpasst... Wir antworten dann meist, wenn sie es will und aktiv danach fragt. Sollte dieser Fall eintreten, kann sie sich gern eine von uns ausgewählte Sendung für eine bestimmte Zeit anschauen. Einen dauerhaft laufenden Fernseher kann ich mir bei uns aber nicht vorstellen! :)

Kommentare

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