Juni 2018┃Fremdbetreuung, Kindergarten, Tagesmutter in der Türkei

Fremdbetreuung ist ein Thema, das mich jetzt seit Anfang des Jahres beschäftigt. Hier in der Türkei ist Fremdbetreuung von kleinen Kindern ein eher neues Thema und ich vermute, dass es auch deshalb weder ein System noch einheitliche Angebote gibt.

Die Betreuung von Kindern unter 5 Jahren ist grundsätzlich Privatsache. Mit etwa 5 Jahren gehen Kinder hier in die Vorschule, diese kann wahlweise eine staatliche oder eine private sein. Der Besuch einer Vorschule ist aber Pflicht. Türkische Vorschulen heißen "anaokulu". Übersetzt man "anaokulu", heißt das Wort eigentlich Kindergarten. Da die türkische "anaokulu" aber viel mehr einer Vorschule in Deutschland entspricht, werde ich hier immer Vorschule schreiben, wenn ich "anaokulu" meine... :) Ich hoffe, das ist verständlich.


Private Betreuungsoptionen für Kinder unter 5 Jahren sind in der Türkei: eine Art Kinderfrau, Nanny bzw. ein Babysitter für den ganzen Tag (in Türkisch "bakıcı"), die türkische Variante des Kindergartens (in Türkisch "kreş") und die Betreuung durch ein Familienmitglied, meistens eine der Omas oder andere ältere weibliche Verwandte, die nicht arbeiten.

Bakıcı


Als bakıcı werden Frauen bezeichnet, die zur Familie des (Klein-)Kindes nach Hause kommen und sich während der Arbeitszeiten der Eltern um das Kind kümmern. Sie treffen morgens zu einer vereinbarten Zeit dort ein und übernehmen ab diesem Zeitpunkt sämtliche Tätigkeiten, die das Kind betreffen. Meistens frühstücken sie mit dem Kind, bereiten Mittag- und Abendessen zu, legen das Kind gegebenenfalls zum Mittagsschlaf hin und beschäftigen sich mit dem Kind. 

Die wenigsten Frauen, die als bakıcı arbeiten, haben eine Ausbildung in diesem Bereich. Sie sind aber so gut wie immer selbst Mütter mit Erfahrung und finden ihre "Kunden" über persönliche Empfehlungen. So individuell wie die Frauen sind auch ihre Preise für die Kinderbetreuung. In der Regel zahlt man ihnen einen monatlichen Lohn und sorgt dafür, dass der Kühlschrank immer gefüllt ist, damit für das Kind gekocht werden kann.

Je nachdem, was die Familie mit der Frau vereinbart hat, kochen einige auch für die ganze Familie und können kleine Tätigkeiten im Haushalt übernehmen. In den letzten paar Jahren ist es üblich geworden, die Wohnungen oder Häuser, in denen solche Kinderfrauen arbeiten, mit einem Videoüberwachungssystem auszustatten. Das klang für mich erstmal total krass, übertrieben und den Frauen gegenüber ungerecht. Inzwischen habe ich aber schon öfter gehört, dass die Frauen das ausdrücklich möchten. So können sie beweisen, dass die Kinder zum Beispiel in ihrer Gegenwart genug essen (meist mehr als mit den eigenen Eltern) oder dass kleine Unfälle nicht aufgrund ihrer Unachtsamkeit passieren.

Die Fremdbetreuung durch eine bakıcı ist für alle Beteiligten eine etwas unsichere Angelegenheit. Kommt es zu irgendwelchen Ereignissen, die einer der Parteien nicht gefallen, wird das Arbeitsverhältnis meist sofort aufgelöst. Die wenigsten Familien sind bereit, einen Arbeitsvertrag oder ein anderes Schriftstück aufzusetzen. So können aber auch die Frauen jederzeit einfach nicht mehr kommen, ohne dass dies große Auswirkungen für sie hätte.

Selbst wenn alles perfekt läuft, hat die Betreuung durch eine solche Kinderfrau meist ihre zeitliche Begrenzung. Spätestens mit 3 bis 4 Jahren wird es für die Frauen sehr anstrengend, die Kinder den ganzen Tag (meist nur in der Wohnung) zu bespaßen und für die Kinder auch immer langweiliger. Die wenigsten bakıcı gehen mit den Kindern regelmäßig raus oder auf Spielplätze. Zuerst sind sie zu klein und sollen bloß nicht krank werden und mit steigendem Alter steigt dann das Verletzungsrisiko und somit auch die Verantwortung, die die Frauen übernehmen müssen. In diesem Alter gehen die meisten Kinder dann in einen privaten Kindergarten "kreş", der die Zeit bis zur Vorschule "anaokulu" überbrückt.


Kreş

In der Gegend um Izmir nehmen die meisten privaten türkischen Kindergärten Kinder ab dem Alter von 3 Jahren auf. In unserer Nähe gibt es lediglich 2 kreş, die bereits Kinder ab 2 Jahren akzeptieren. Diese sind aber auch besonders teuer und haben trotzdem meistens Wartelisten. Das Kindergartenjahr ist in der Türkei um die 9 Monate lang. Die meisten kreş sind von Mitte/Ende Juni bis Mitte September geschlossen. Einige bieten für die Schließzeit einen "Sommer-Kindergarten" an, der dann leicht veränderte Öffnungszeiten hat und einen anderen Preis, als das reguläre Kindergartenjahr.

Der Ablauf und die Inhalte, die den Kindern vermittelt werden, variieren von kreş zu kreş stark. Ich bin mir nicht ganz sicher, habe aber oft das Gefühl, dass es keine allgemein gültigen Richtlinien für türkische Kindergärten gibt. Die meisten haben ein Unterrichtsprogramm, in dem die Kinder Dinge wie Schach spielen, Englisch, Mathematik, Musikinstrumente spielen und ähnliches lernen. Türkische Kindergärten sind sowohl optisch als auch in ihrer Ausrichtung ganz anders als deutsche.

Der typische Kindergartentag ist in der Türkei sehr lang. Die Kinder kommen zwischen 8:30 Uhr und 9 Uhr morgens in der kreş an und werden ab 16:30 Uhr abgeholt. Da viele Eltern aber länger als diese Zeiten arbeiten, ist es üblich, dass die Kinder mit einem Schulbus "servis" von zu Hause abgeholt und nach Hause gebracht werden. Das heißt, dass sie gegen 7:30 Uhr morgens eingesammelt und zwischen 17:30 Uhr und 18 Uhr wieder zu Hause abgesetzt werden, je nachdem wie weit sie vom Kindergarten entfernt wohnen und wie viele Stationen der Bus vor dem eigenen Zuhause anfahren muss.

Auch preislich gibt es bei den kreş Angeboten riesige Unterschiede. Die "günstigsten" Varianten in unserer Gegend liegen bei rund 1.800 Lira monatlich. In dieser Höhe liegt meist auch das Gehalt der arbeitenden Mutter. Wer einen Shuttle-Service benötigt, muss diesen zusätzlich bezahlen. Bei einigen Kindergärten kommen dann noch Kosten für Materialien und Ausflüge hinzu, bei anderen sind diese im Preis inbegriffen. Einer der teuersten Kindergärten in unserer Nähe kostet mehr als 2.500 Lira pro Monat und selbst für diesen Kindergarten gibt es Wartelisten.

Tagesmutter

Tagesmütter gibt es meines Wissens nach in der Türkei gar nicht. Ich finde das sehr schade, da es in meinen Augen für viele Menschen eine gute Option wäre. Die Kinder sind zwar fremdbetreut und mit anderen Kindern in Kontakt, müssen aber noch kein strenges Unterrichtsprogramm wie in den türkischen Kindergärten mitmachen.

Unser Fazit

Aufgrund der derzeitigen Betreuungssituation für kleine Kinder in der Türkei wird unsere Tochter vorerst nicht fremdbetreut werden. Sie liebt es mit anderen Kindern zusammen zu sein, die türkischen Optionen überzeugen mich aber nicht. In ihrem jetzigen Alter käme nur ein sehr teurer Kindergarten in Frage, für den wir aber keinesfalls so viel Geld ausgeben möchten. Dafür wird dann doch zu wenig Qualität geboten und die vermeintlichen Muttersprachler haben (in Englisch) einen stärkeren Akzent als ich.

Ob die türkische kreş in 1,5 bis 2 Jahren für uns Sinn macht, wird sich zeigen. Im Moment sehe ich keinen wirklichen Sinn darin, dass 3- oder 4-jährige Kinder bereits an einem schulähnlichen Programm teilnehmen müssen. Und Schach spielen können weder mein Mann noch ich, deshalb ist es nicht ganz oben auf unserer Prioritätenliste, dass unsere Tochter es lernt. ;)

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