Oktober 2017┃Wir leben im Erdbebengebiet

Klingt irgendwie dramatisch oder? Wir leben im Erdbebengebiet.. Ist aber so. Bevor ich nach Izmir gezogen bin, habe ich mir ehrlich gesagt nie Gedanken darüber gemacht, was das bedeuten kann. In den knapp 3 Jahren vor meinem Umzug hieher habe ich keine Erdbeben miterlebt.


Relativ kurz nachdem wir unsere erste Wohnung bezogen hatten, habe ich zum ersten Mal bewusst mitbekommen, dass es gebebt hat. Wir lebten damals in einer möblierten Wohnung in Göztepe, in einem Haus das rund 40 Jahre alt war, im 5. Stock. Das Erdbeben war eher klein, aber durch die Höhe und das Alter des Hauses klapperten alle Schranktüren und ein Stapel aus Büchern und Holzplatten unter der Mikrowelle geriet ziemlich ins Wanken. Es bebte nachts und war eher durch die Geräusche als durch die Bewegung des Hauses unheimlich.

Im Dezember 2014 machte ich ein Praktikum in einer Schule und bekam dort per Zufall einen Probe-Erdbebenalarm (so wie die Feueralarmübungen in Deutschland) mit. Das war wirklich Gold wert! Ich wusste einfach nicht, wie man sich wirklich verhalten sollte, wenn es bebt. In den folgenden zwei Jahren bebte es immer mal wieder, oft nachts oder am frühen Morgen, wenn mein Mann zu Hause war. Er bleibt bei Erdbeben total ruhig, aber er kennt dieses Phänomen ja auch von Geburt an.

Ganz anders war es nun in diesem Jahr am 12. Juni. Ich war wie immer mit unserer Tochter zu Hause, wir waren im ersten Stock unseres Hauses in ihrem Zimmer und spielten auf dem Boden. Plötzlich begann es zu beben und zunächst dachte ich noch, alles ist "wie immer" und nach ein paar Sekunden ist der Spuk vorbei. Ich erklärte ihr: "Das ist ein Erdbeben. Es wackelt, aber es ist gleich vorbei." Und bemerkte, es hörte nicht auf!
Mir ging der Hintern auf Grundeis! Nicht nur dass das Beben ungewöhnlich stark war, es kam mir unendlich lang vor. Zwischendrin gab es eine kurze Pause und ging dann wieder weiter. Mir war wirklich Angst und Bange, noch nie in meinem Leben habe ich eine solche Panik gehabt. Ich schnappte mir das Kind, Schlüssel und mein Telefon und sah zu, dass ich raus kam. Das hatte ich nämlich bei dem Erdbebentraining gelernt. Wenn möglich, sollte man das Gebäude verlassen.
Bis ich draußen war, war ich quasi im Autopilot gewesen und hatte einfach gehandelt ohne nachzudenken. Auf der Straße vor unserem Haus stellte ich dann fest, dass auch die Bauarbeiter von der Baustelle nebenan draußen waren und die Nachbarn sich gegenseitig riefen, um festzustellen, ob es allen gut ging. Weder Festnetz noch Handy funktionierten nämlich.

In dem Moment war es bei mir vorbei. Ich hielt meine Tochter fest, die meine Panik natürlich gespürt hatte und sich an mich klammerte, und zitterte am ganzen Körper. Zum Glück kam nach ganz kurzer Zeit schon eine meine lieben Nachbarinnen und nahm mir das Kind ab und uns mit zu sich nach Hause. Ich habe mich nicht mehr ins Haus getraut und wäre sie nicht gekommen, hätte ich wahrscheinlich draußen gestanden, bis mein Mann nach Hause gekommen wäre.
Die ganze Woche nach dem großen Beben bebte es noch nach und ich musste wirklich an mich halten, nicht wieder sofort vor die Tür zu rennen. Inzwischen bebt es wieder deutlich weniger und ich habe mich auch wieder an die kleinen Beben "gewöhnt", bin aber immer noch auf der Hut und halte ein paar Sicherheitsvorkehrungen ein, falls es wieder ein größeres Erdbeben geben sollte.


Das Beben im Juni hatte eine Stärke von 6,4 auf der Richterskala. Ich kann und will mir nicht vorstellen, wie sich noch stärkere Erdbeben in weniger sicher gebauten Häusern anfühlen. Einige meiner Freunde sagen immer wenn sie bei uns sind, sie würden gern mal ein Erdbeben miterleben. Ich kann das ein bisschen verstehen, kann aber auch sagen, das möchte man maximal ein Mal...

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