November 2017┃Baby Led Weaning BLW in der Türkei

Unser Kind isst selbst! In Deutschland ist Baby Led Weaning längst kein großes Thema mehr, hier in der Türkei wurde ich mit großen Augen angeguckt, als es an den Beikoststart unserer Tochter ging... Wie so oft brachten uns die kritischen Kommentare ab und an ins Wanken. Heute, nach 5 Monaten selbst gegessener Beikost, würde ich alles wieder genauso machen. Nur vielleicht nicht so viel darüber sprechen mit uneinsichtigen Verwandten, die alles genau wie vor 30-50 Jahren machen.. ;)


Unser Kinderarzt empfahl uns die Beikosteinführung nach den türkischen Standards, als unsere Tochter 6 Monate alt war. Die offizielle Empfehlung lautet hier übrigens, 2,5 bis 3 Jahre zu stillen, weshalb auch keine Mahlzeiten ersetzt werden wie in Deutschland. Trotzdem geht es mit 6 Monaten direkt mit 3 Mahlzeiten und 2 Snacks pro Tag los. Zusätzlich wird nach Bedarf gestillt.

Für das Frühstück gab uns der Arzt ein für mein Empfinden abenteuerliches Rezept, was hier aber ganz normal ist. Türkischer Frühstücksbrei mit 6 Monaten besteht aus Babykeksen, Fencheltee, 1/4 Eigelb, Käse, Tahin (Sesammus), Pekmez (Traubensirup) und einem kleinen Teelöffel Olivenöl. Lecker klingt anders oder?!

Zwischen Frühstück und Mittagessen sollte es den ersten Snack geben, püriertes Obst. Das Mittagessen war ein Brei aus Grieß, saisonalem Gemüse (mindestens 3 verschiedene Sorten) und Brühe. Nach dem Mittag gab es laut Plan den zweiten Snack, Joghurt, und zum Abendessen eine Suppe, wahlweise Tarhana oder Gemüsesuppe.

Die Menge Ei im Frühstücksbrei sollte alle 4 Wochen um ein Viertel Eigelb erhöht werden. Ab einem Alter von 9 Monaten kamen außerdem Fisch und Köfte sowie Fleischbrühe zum Speiseplan hinzu. Mit dem Beikoststart begannen wir auch, unserer Tochter Wasser anzubieten. Dafür gab es keine Begrenzung, weitere Getränke wie Tee empfahl unser Arzt nicht.

All diesen Empfehlungen zum Trotz war das Erste, was unsere Tochter aß, Brot, Ramazan Pidesi um genau zu sein, und sie fand es großartig. :) Den Frühstücksbrei habe ich genau einmal zubereitet. Nachdem er mir mit angewidertem Gesicht entgegen geschoben wurde, war das Thema wortwörtlich vom Tisch.


Unsere Tochter hat Ende Juni angefangen, "richtiges" Essen zu essen. Da es zu der Zeit schon richtig warm war, hat sie ihre ersten Mahlzeiten alle nur mit einer Windel bekleidet zu sich genommen. Danach habe ich sie meist direkt in der Spüle gewaschen. Das war praktisch und hat ihr total Spaß gemacht.

Die Struktur unseres Kinderarztes habe ich auch fürs Baby Led Weaning übernommen und ihr 3 Mal pro Tag Mahlzeiten und 2 Mal Snacks angeboten. Den Snack zwischen Frühstück und Mittagessen wollte sie so gut wie nie, deshalb ist der nach kurzer Zeit weggefallen. Nach dem Mittagessen hat sie am Nachmittag immer ihr Obst gegessen. Das war lange Zeit ihre größte "Mahlzeit".

Für Mittag- und Abendessen habe ich in den ersten Monaten immer Gemüse gedünstet. Das ging mit dem Dünsteinsatz von IKEA einfach und schnell. Zu Beginn hat unser Mädchen vor allem Kartoffeln, Karotten, Zucchini, Aubergine, Gurke und ein bisschen Paprika gegessen. Zum Frühstück meist ein Stück Brot, entweder mit Butter oder in ein wenig Olivenöl getunkt, und etwas Ei, hartgekocht oder als Omelette. Weiches Obst aß sie roh, Apfel und Birne habe ich geschält und gedünstet.

Besonders meinem Mann fiel (und fällt) es schwer, zu akzeptieren, dass Babys beim Baby Led Weaning so viel essen, wie sie möchten. Er hatte oft Sorge, dass unsere Tochter zu wenig isst oder zu wenig Gewicht zunimmt. Ich bin überzeugt davon, dass Babys sich holen, was sie brauchen, sowohl über die Beikost als auch über die Muttermilch, die unser Mädchen ja noch heute mit 11 Monaten bekommt.

Traditionell werden Kinder hier in der Türkei zum Essen extrem "animiert". Da werden Geschichten erzählt, YouTube Videos gezeigt und den Kindern mit dem Löffel durch die ganze Wohnung hinterher gelaufen, nur damit sie ein wenig mehr essen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass hier leider noch immer gilt, je dicker ein Kind ist, desto besser. "Falls es mal krank wird, hat es dann Reserven." hören wir ganz oft. Übergewicht, Diabetes und andere Themen scheinen kaum jemanden zu interessieren.


Heute, mit 11 Monaten, isst unsere Tochter 3 Mal am Tag selbst. Sie frühstückt, isst Mittagessen, trinkt ihren Ayran und isst ihr Obst und freut sich jeden Abend auf ihr Abendessen. Außerdem stille ich sie noch morgens, abends und nachts. Seit wir mit dem langsamen Abstillen begonnen haben und ihre Zähne mehr geworden sind, isst sie deutlich größere Mengen und fordert ihr Essen richtig ein. :) Sie ist nach wie vor kein dickes Kind und wird vermutlich auch keines werden, das finde ich aber überhaupt nicht schlimm. Sie nimmt stetig und langsam zu, ist aktiv und bewegungsfreudig.

Ich hätte nie gedacht, dass das Thema Beikost so schwierig sein kann und mir sogar schlaflose Nächte bereiten würde... Baby Led Weaning ist für uns und unsere Tochter das richtige Konzept, sie liebt es, dass sie allein essen kann und benutzt ab und an auch schon ihre Gabel und ihren Löffel. Auch wenn wir damit hier in der Türkei (mal wieder) als Sonderlinge gelten, würden wir es wieder genauso machen (nur die Breiversuche gleich weglassen...). :)

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