Februar 2018┃Zweisprachig Aufwachsen bilingual Deutsch Türkisch

Unsere Tochter wächst zweisprachig auf. Sie lernt von mir und meiner Familie Deutsch und von allen anderen um uns herum Türkisch. Für uns war von Anfang an klar, dass unser Mädchen bilingual aufwachsen wird.

Ich habe vor rund 10 Jahren das erste Mal begonnen, Türkisch zu lernen. Das ergab sich damals einfach so durch meinen Freundeskreis in Berlin und meine Neugier auf fremde Sprachen. Im ersten Anlauf hatte ich eine sehr nette Tandempartnerin, die ich über eine damals sehr viel genutzte Webseite gefunden habe. Heute existiert diese Seite gar nicht mehr, glaube ich. Ich bin alt! ;)

Mit ihr lernte ich für ein paar Monate gemeinsam, bis sie wegen ihres Studiums aus Berlin wegzog. Ich hatte dann für eine kurze Zeit eine andere Tandempartnerin, die mir über das Goethe-Institut vermittelt wurde. Aber auch das verlief irgendwann im Sand. Bei mir hatte sich privat auch Einiges verändert und so lag das Türkisch lernen erstmal auf Eis.

Im Laufe der Zeit kam ich über eine gemeinsame Freundin mit meinem heutigen Mann in Kontakt und das Türkisch lernen wurde wieder wichtiger. Da ich zu der Zeit im Masterstudium steckte und arbeitete, hatte ich aber keine Zeit für ein neues Sprachtandem. Ich lernte relativ viel allein mit Easy Turkish, einer großartigen kostenlosen Internetseite, die ich jedem Türkischlernenden nur empfehlen kann.


Damit lernte ich alle wichtigen Grundlagen. Hier in der Türkei besuchte ich einen Türkischkurs bei TÖMER für 2 Wochen im Sommer 2013 und dann nochmal im Herbst 2014 einen Monat lang. Heute müssten meine Türkischkenntnisse irgendwo zwischen B1 und B2 sein. Ich spreche deutlich besser, als ich schreibe. Mein Wortschatz hat sich extrem erweitert, allerdings nicht um die typischen Lehrbuchinhalte, sondern eben um die Worte, die ich im Alltag brauche. Wer lernt schon Dinge wie Windpockenimpfung oder Bäuerchen machen in einem Sprachkurs... :)

Mein Mann wiederum hat Deutsch für ein Jahr in der Schule (Lise) gelernt und hat einige Verwandte in Deutschland. Er spricht nur sehr wenig Deutsch, versteht aber recht viel und lernt jetzt auch viel, wenn er unserer Tochter und mir zuhört. Die wichtigsten Dinge versteht er: haben, Milch, Ball, Müll, Baum, Brot, Buch, Ei und so weiter. :)

Aufgrund dieser Ausgangssituation ist die Zweisprachigkeit für uns eine ganz natürliche Sache. Ich könnte bestimmt mit unserer Tochter türkisch sprechen, möchte aber authentisch sein und das fällt mir in Deutsch deutlich leichter. Außerdem kann ich kein einziges türkisches Kinderlied und möchte auch, dass sie die deutschen in jedem Fall kennt. In der Familie meines Mannes wurde den Kindern weder vorgelesen noch mit ihnen gesungen, deshalb müssen wir ihn ganz langsam daran gewöhnen.

Entgegen der Erwartungen vieler türkischer Familienmitglieder hat unser Mädchen früh angefangen zu sprechen. Mit knapp 7 Monaten sagte sie bereits bewusst "Mama" und rief mich über das Babyfon, wenn sie aufgewacht war. Gut einen Monat später sagte sie auch "Baba" und "Papa" zu ihrem Vater. Inzwischen differenziert sie sogar und sagt zu mir "Papa", wenn sie an ihn denkt oder über ihn sprechen möchte. Wenn sie ihn direkt anspricht, sagt sie aber ""Baba". :)


Im Augenblick (mit knapp 14 Monaten) dominiert ganz klar Deutsch ihren Wortschatz. Das ist aber auch völlig normal, da sie 6 Tage pro Woche zu 95 % nur mit mir verbringt (bzw. ohne ihren Vater) und somit alle ihre Bedürfnisse in Deutsch ausdrücken muss. Wir finden, dass sie schon sehr viel spricht. Ihre ersten Worte waren Mama, Papa, haben, nein, ja, Buch, Ball, heiß, Ei, Wauwau, Milch, Brot, Müll, Windel, Kissen und Pi. :) Ihr Kuscheltier, ein Pinguin, heißt Mr. P und den ruft sie immer "Pi, Pi, Piiiii".

Türkische Worte bisher sind Baba, Anne und ihr Name. Viele Kinder, die monolingual Türkisch aufwachsen, sagen ebenfalls "Mama". Dies bedeutet in Türkisch aber nicht Mutter, sondern so etwas wie "Brei" oder "Essen". Interessanter Weise sagt man zu Tierfutter auf Türkisch auch "mama". Ein klassisches erstes Wort in Türkisch ist auch "Dede" für Opa. Da die Silbe "de" in Deutsch nicht wirklich häufig vorkommt und auch keine weitere Bedeutung hat, sagt unsere Tochter im Moment weder "Dede" noch "Opa" zu ihrem Opa. Wir werden sehen, wie sich dies mit der Zeit entwickelt.

Ich achte penibel darauf, ausschließlich Deutsch mit unserer Tochter zu sprechen und versuche, so viele Synonyme wie möglich zu verwenden. Schließlich hört sie deutsche Worte erstmal nur von mir, also trage ich auch die Verantwortung für die Sprachentwicklung in Deutsch. Wir lesen viele Bücher, die meisten sind eh deutsche Kinderbücher. Wir schauen uns aber auch türkische Bücher an und ich erzähle dann einfach eine Geschichte oder erkläre ihr die Bilder.

Es gibt 2 Bereiche, in denen ich mich mit dem ausschließlich Deutschsprechen schwer tue. Zum einen bei Lebensmitteln. Es gibt hier einige Dinge, für die es meines Wissens nach keine Übersetzung gibt oder deren Übersetzung ich einfach nicht kenne, weil man sie in Deutschland nicht verwendet. Dazu gehören unter anderem "semizotu" (Deutsch: Portulak), "lokum" (kein deutsches Wort) oder "barbunya" (Deutsch: Cranberry-Bohne?).

Das zweite Problem ist die Sache mit der Höflichkeit. In der Türkei ist es üblich, dass ältere Menschen (älter als man selbst), egal ob Bekannte oder Fremde, wie Familienmitglieder bezeichnet werden. Also zum Beispiel als "abla" ältere Schwester, "abi" älterer Bruder, "amca"Onkel, "teyze" Tante, "nene" Oma/ältere Frau und "dede" Opa/älterer Mann. In Deutschland undenkbar, hier ganz normal, spricht man fremde Personen zum Beispiel beim Einkaufen immer mit Tante/Onkel oder so an. Das ist tatsächlich die höfliche Form der Anrede (aber nicht formell).

Im Alltag mache ich das natürlich auch, allerdings spreche ich mit den jeweiligen Personen dann ja auch Türkisch. Ich weiß aber nicht recht, was ich machen soll, wenn ich mit unserer Tochter über beispielsweise eine Nachbarin spreche. Einerseits klingt es komisch, wenn ich sage, wir gehen zu Oma Hatice, weil sie ja nicht die Oma unserer Tochter ist. Andererseits ist es auch merkwürdig, wenn ich nur den Namen sage, vor allem, wenn die Person dabei ist.

Vieles wird sich wahrscheinlich einfach mit der Zeit ergeben und ist wahrscheinlich im Nachhinein auch gar nicht so wichtig. Aber man macht sich ja immer so seine Gedanken.. :) Wie das eben so ist, als Erstmutter. Komische Kommentare hören wir übrigens nur ganz selten. Viele finden es richtig toll, dass unser Mädchen zweisprachig aufwächst. In der Familie meines Mannes wird noch eine weitere Sprache bzw. eine Art Dialekt gesprochen. Ich hätte es toll gefunden, wenn unsere Tochter auch noch diese Sprache von Anfang an gelernt hätte.

Kommentare


  1. Ich mag die Idee, einen TandemPartner zu haben :)
    das klingt wie eine komplizierte Geschichte, aber du hast es geschafft! Ich bin beeindruckt :)

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