März 2018┃Als Deutsche in der Türkei leben

Seit über drei Jahren lebe ich als Deutsche in der Türkei. Meine Erfahrungen, Erlebnisse und Sichtweisen möchte ich in diesem Post ein bisschen beschreiben. All dies sind natürlich ausschließlich meine Gedanken und meine Meinung. Ich kenne keine anderen Auswanderer in der Türkei und kann deshalb nur von mir berichten. Hier soll es auch vorrangig um mich gehen, über mein Leben als deutsche Mutter in der Türkei schreibe ich ein anderes Mal.

Wir leben nicht irgendwo in der Türkei, sondern im wunderschönen Izmir. Izmir ist die drittgrößte Stadt der Türkei und hat inzwischen mehr Einwohner als meine Heimatstadt Berlin. Die Familie meines Mannes stammt ursprünglich aus dem Osten der Türkei. Er ist aber hier in Izmir geboren und aufgewachsen und liebt seine Heimatstadt. Nach mehreren Besuchen hier war mir klar, dass ich als Deutsche gut in Izmir leben kann. Wir sind ganz im Westen der Türkei, haben es nicht weit nach Griechenland. Die gesamte Ägäis ist "westlich" geprägt und kommt einem als "Europäer" nicht wirklich fremd vor. Dennoch gibt es natürlich Unterschiede!

Sprache - Braucht man in der Türkei Türkisch?

Ich würde sagen ja! In meinem Post über das zweisprachige Aufwachsen unserer Tochter bin ich schon kurz darauf eingegangen. Ich habe bereits Grundlagen der türkischen Sprache beherrscht, bevor ich meinen Mann kennen gelernt habe. Nach meiner Auswanderung habe ich sofort für 4 Wochen einen weiteren Sprachkurs besucht. Der verhalf mir nicht nur zu besserem Türkisch, sondern auch zu dem nötigen Selbstbewusstsein, um überall und jederzeit zu sprechen. Denn das muss man.

Auch wenn Englisch hier wie in Deutschland als erste Fremdsprache in der Schule gelernt wird, das Englisch vieler Türken ist sehr schlecht. Zusätzlich haben viele große Hemmungen, Englisch zu sprechen. Ein Beispiel: Unser Telefon funktionierte eine Zeit lang nicht und ich rief die Telekom an. Dort kann man die Sprache wählen, Türkisch oder Englisch. Da mir Englisch bei gewissen Themen nach wie vor leichter fällt, entschied ich mich für Englisch. Die Person, mit der ich dann sprach, sprach so schlecht Englisch, dass wir zu Türkisch wechseln mussten! Und er sagte auch noch: "Hätten Sie doch gleich Türkisch gesprochen, dann hätten wir das schneller regeln können!" Also ja, man braucht in der Türkei als Deutsche auf jeden Fall Türkisch!

Außerdem, finde ich, kann in einem Land nur dann wirklich leben, wenn man die Sprache beherrscht. Um Kultur und Mentalität zu erfahren, Menschen kennen zu lernen und nicht nur Besucher zu sein, muss man einfach die Landessprache sprechen. Türkisch ist ganz anders als Deutsch und nicht unbedingt einfach zu lernen, aber es lohnt sich. Diese Sprache bietet so viele tolle Umschreibungen und Metaphern, für die ich inzwischen manchmal nicht sofort eine deutsche Übersetzung parat habe. Die türkische Variante erscheint mir ab und an passender. Hinzu kommen die vielen witzigen Gelegenheiten, die sich einfach ergeben, wenn man eine Sprache lernt. :) Was haben wir schon über falsch verstandene oder kombinierte Wörter von mir gelacht... :)

Essen - Was isst man als Deutsche in der Türkei?

Alles, was einem schmeckt, würde ich sagen! :) In Berlin war ich Vegetarierin, und das seit meinem 11. Lebensjahr. Hier in der Türkei habe ich begonnen, Fisch zu essen und vor zwei Jahren kam auch noch Hühnchen dazu. Weder jetzt noch bei meinem ersten Besuch in der Türkei hatte ich Schwierigkeiten, etwas zu essen zu finden. Die türkische Küche ist so vielfältig, dass eigentlich für jeden Geschmack etwas dabei ist.

Gerade die mediterrane Küche hier in der Ägäis bietet quasi unendliche Möglichkeiten und so ein Leben direkt am Meer mit frischem Fisch ist ebenfalls großartig. :) Ich liebe kalte Vorspeisen jeder Art (in Türkisch "meze") und mag auch viele der Hauptgerichte mit Olivenöl. Die Süßspeisen sind mir oft zu üppig und zu süß. Da mein Mann weder süße Milchspeisen noch mit Sirup getränkte Backwaren gern isst, gibt es bei uns oft Sachertorte! Die liebt er nämlich!

Meine Schwester isst kaum Gemüse und verträgt auch keine gewürzten Speisen. Für sie gibt es hier meist "ungewürzte" Buletten mit Reis oder Bulgur, während wir inzwischen ziemlich scharf essen. Ich denke wirklich, in der Türkei findet jeder etwas, was ihm schmeckt.

Essen gehen ist hier immer noch vergleichsweise günstig, solange man keinen Alkohol trinkt. Alkohol ist in der Türkei durch die Luxussteuer sehr teuer und kostet in Restaurants gern mal das 2-3 fache des Essens. Rechnet man die Essenspreise in Euro um, ist das Essen natürlich richtig günstig aufgrund der schwachen Lira. Rund um Izmir gibt es unzählige Restaurants, die so gut wie alle 24 Stunden geöffnet sind. An den Küstenstraßen findet man vor allem Fischrestaurants, Richtung Landesinnere gibt es richtig gute Optionen, um Fleisch (Lamm und Rind) zu essen.

Kultur - Wie ist das so mit der Türkischen Kultur?

Bevor ich als Deutsche in die Türkei gegangen bin, haben mich viele gefragt, ob ich denn mit der Türkischen Kultur und Mentalität zurechtkommen würde. Damals habe ich mir, ehrlich gesagt, gar nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Für mich war und ist das Wichtigste, mit meinem Mann gut zurecht zu kommen. :) Der Rest ergibt sich schon von selbst.

Trotzdem gibt es natürlich einige Dinge, die in der Türkei bzw. der Türkischen Mentalität ganz anders sind. Viele kulturelle Eigenheiten habe ich inzwischen ins Herz geschlossen und manche sind mir quasi ins Blut übergegangen. Anderen hingegen begegne ich nach wie vor mit Skepsis. Genauso ist das bei mir aber mit Deutschen Traditionen auch. Nur weil man in einem Land lebt, muss man nicht mit allem konform sein, finde ich.

"Du heiratest nicht nur deinen Mann, sondern auch die ganze Familie mit." Das ist eine der Sachen, die für mich bis heute noch schwierig ist. Einerseits finde ich es großartig, dass mein Mann so eine große Familie hat. Es kommen zwar so gut wie nie alle zusammen (Hochzeiten ausgenommen), aber man kann theoretisch jedes Wochenende einen anderen Onkel oder eine andere Tante besuchen und müsste monatelang nicht die gleichen Menschen sehen. ;)

Andererseits bringt so eine große Familie in der Türkei auch jede Menge Verpflichtungen mit sich. Die Eltern meines Mannes haben je 5 Geschwister und alle sind 50 Jahre alt und älter. Manchmal hat man leider das Gefühl, dass ständig irgendwer krank ist. Ein großer Teil der Familie lebt in Izmir und Umgebung, trotzdem sehen sich manche Familienmitglieder nur zu den obligatorischen Krankenbesuchen, was ich total schade finde und auch nicht wirklich nachvollziehen kann.

Ich liebe die Türkische Spontanität und die Lebenseinstellung, alles möglich machen zu können. :) Man sollte nur nicht nach dem "Wie" fragen... Zur Türkischen Kultur gehört auch, Besuchern "sein letztes Hemd" zu geben bzw. ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Meist werden Tonnen von Essen vorbereitet und auch wenn man "nur zum Tee" vorbeikommt, kann man danach meist nach Hause rollen. Ich liebe das, seit ich mich daran gewöhnt habe. Inzwischen werden auch unsere Besucher erst gehen gelassen, wenn sie mehr für die nächsten 2 Tage gegessen haben.

Arbeiten - Arbeiten Frauen in der Türkei?

Zum Thema Arbeit in der Türkei kann ich nicht so viel sagen, da ich hier nicht als Angestellte irgendwo arbeite. Als Deutsche braucht man in der Türkei eine Arbeitserlaubnis, die der Arbeitgeber beantragen muss. Durch unsere Familienplanung hat es sich bisher nicht ergeben, dass ich mich irgendwo beworben und gearbeitet hätte.

Das ist aber eher untypisch. Genau wie in Deutschland arbeiten auch in der Türkei sehr viele Frauen. Die meisten unserer Freunde sind Doppelverdiener. Frauen, die als Beamte oder Angestellte im öffentlichen Dienst arbeiten, bekommen 3 oder 4 Monate Mutterschutz bzw. Elternzeit. Wer nicht für den Staat arbeitet, ist gänzlich auf das Wohlwollen seines Arbeitgebers angewiesen. Ähnlich wie in den USA gibt es keinen offiziell geregelten Anspruch auf Mutterschutz oder Elternzeit in der Türkei.

Die meisten Frauen in der Türkei arbeiten bis 4 oder 2 Wochen vor der Geburt und beginnen auch 2 bis 6 Wochen nach der Geburt, wieder zu arbeiten. Manche Unternehmen bieten ihren Angestellten zumindest eine Garantie für ihren Arbeitsplatz. In der Zeit, in der die Mütter nicht arbeiten, müssen sie sich selbst versichern, für ihre Rente selbst einzahlen und erhalten kein Gehalt. Die unbezahlte Elternzeit hängt oft von der wirtschaftlichen Lage ab und kann jederzeit widerrufen werden. Sie gilt außerdem ausschließlich für Frauen. Dass Väter in der Türkei in Erziehungszeit gehen, ist quasi undenkbar. Ich kenne genau einen Vater, der sein Kind zu Hause betreut. Sein Sohn ist ein Nachzügler und der Herr bereits in Rente. Allerdings geht man in der Türkei auch viel früher in Rente als in Deutschland. Einige hören bereits mit 50 Jahren auf zu arbeiten, andere mit 55.

Zur Kinderbetreuung in der Türkei werde ich nochmal einen gesonderten Artikel schreiben. Nur kurz soviel: Es gibt Krippen und Kindergärten, auf Türkisch kreş, die staatlich geregelte Vorschule, auf Türkisch anaokulu, sowie viele Kinder, die privat durch Omas oder nahe Verwandte betreut werden. Außerdem haben einige Familien eigene Kinderbetreuerinnen oder Nannys, auf Türkisch çocuk bakıcısı.