Mai 2018┃Fehlgeburt in der Türkei


Vor zwei Jahren, am 13. Mai 2015, hatte ich meine erste Fehlgeburt in der Türkei. Im selben Jahr folgte eine weitere im November. Ich möchte meinen Blog nutzen, um ein paar Dinge emotional aufzuarbeiten und hoffentlich auch anderen Frauen Mut zu machen. Eine Fehlgeburt ist immer ein traumatisches Erlebnis und im Ausland, weit weg von Familie und Freunden, noch ein bisschen schwerer zu verarbeiten, denke ich.

Im März 2015 hatte ich den ersten positiven Schwangerschaftstest meines Lebens in der Hand. Im April 2015 ging ich zum ersten Mal in der Türkei zu einer Frauenärztin. Wir entschieden uns damals für ein privates Krankenhaus, eine Art Ärztezentrum, dessen Kosten die normale Krankenversicherung zum Teil übernimmt. Je nach Qualifikation des Arztes und Behandlung muss man dann Zusatzzahlungen leisten.

Durch einen staatlichen Gynäkologen wollte ich mich nicht betreuen lassen, da wir so viel Schlechtes gehört hatten und ich von meinem Berliner Frauenarzt wusste, dass ich eine Anomalie der Gebärmutter habe. Er hätte mich selbstverständlich in einer Schwangerschaft ganz normal betreuen können, aber er hatte auch eine bessere Praxisausstattung als die staatlichen türkischen Ärzte.

Bei einer ganz normalen Vorsorgeuntersuchung stellte mein damaliger Arzt fest, dass meine Gebärmutter herzförmig ist. In der Fachsprache nennt man das Uterus arcuatus. Er meinte, dies sei zwar eher selten, aber erstmal kein Grund zur Beunruhigung. Im Falle eines Kinderwunsches könnte es zu Problemen kommen, müsse es aber nicht. Wenn Probleme aufträten, würde er eine Vermessung des Septums in der Gebärmutter empfehlen, da er durch seinen Ultraschall nicht eindeutig feststellen konnte, ob die Gebärmutter eventuell vollständig in zwei einzelne Kammern geteilt ist.

Neben Problemen bei der Empfängnis sprach er vor allem über das erhöhte Risiko von Fehlgeburten, je nachdem wo sich das Ei in der Gebärmutter einnistete. Mit all diesem Wissen ging es also zu unserem ersten Termin in die türkische Klinik. Die Ärztin dort konnte einen Herzschlag feststellen, datierte den Embryo aber zurück. Sie sah weder in meiner Gebärmutterform noch in der Entwicklung des Embryos ein Problem.

Da wir bei unserer eigentlichen Wunschärztin zunächst keinen Termin bekommen hatten, waren wir schon 2 Wochen danach wieder zu einer Kontrolle in der Klinik, dieses Mal bei der Ärztin, die wir für die weitere Betreuung wollten. Auch diese Ärztin fand meine Gebärmutterform nicht wichtig und datierte den Embryo noch weiter zurück. In den 14 Tagen hatte er sich nur so weiterentwickelt, wie es für 8 Tage normal war. Der Embryo war also zu klein.

Dennoch waren wir voller Vorfreude und erzählten unseren Familien von dem zu erwartenden Baby. Am 12. Mai, 2,5 Wochen nach dem vorherigen Termin, sollte die Nackenfaltenmessung stattfinden. Der Embryo hatte aber nur die Größe eines 9 Wochen alten Fötus. Er bewegte sich nicht und es war kein Herzschlag mehr zu sehen.

Und dann ging alles ganz schnell. Die Ärztin schickte uns zu einem Spezialultraschall, bei dem ebenfalls weder Herzschlag noch Bewegungen festgestellt werden konnten. Danach ging es sofort zur Blutabnahme, da sie für den Folgetag die Ausschabung angesetzt hatte. "Damit das tote Baby nicht mein Blut vergiftet." sagte sie. Heute weiß ich, dass das Schwachsinn war. Das alles lief wie ein Film an mir vorbei.

Mein Mann musste dann noch in die Buchhaltungsabteilung des Krankenhauses, um über den OP-Preis zu sprechen. Ich wartete einfach im Foyer, da mir alles zu viel war. Am nächsten Tag musste ich nüchtern bleiben und um 12:30 Uhr in dem Operationsgebäude des Krankenhauses sein, da die OP für 14 Uhr angesetzt war. Völlig überraschend für die Türkei kam meine Ärztin sogar früher als erwartet und gegen 13:30 Uhr stiegen wir schon in den Fahrstuhl, der mich zum Operationssaal brachte.

Mein Mann fuhr wieder nach oben und wartete in dem Zimmer, das uns zugewiesen worden war. Die Ärztin und ein Krankenpfleger führten mich durch eine Schleuse und dann weiter in den OP-Raum. Ich erinnere mich noch, dass ich fand, dass es dort wie in einer Schlachterei aussah... Dann musste ich auf den Stuhl klettern und wurde an alle möglichen Monitore angeschlossen. Die Anästhesistin kam und stellte mir ein paar Fragen. Damals, nach nur 6 Monaten in der Türkei, fand ich es wirklich schwierig, gesundheitliche Fragen auf Türkisch zu verstehen und zu beantworten.

Das OP-Team und die Frauenärztin sprachen noch über das "Pech", das wir gehabt hätten, obwohl wir ja so nett wären und dann begann die Narkose zu wirken. Ich erinnere mich erst wieder daran, dass ich in dem Zimmer aufgewacht bin und mein Mann neben dem Bett saß. Ich hatte fürchterliche, wellenartige Schmerzen, heute weiß ich, dass das Wehen waren, und einen unglaublichen Durst.

Wir klingelten nach einer Schwester, die mir Schmerzmittel injizierte und ließen uns die Erlaubnis geben, dass ich etwas trinken durfte. Mein Mann flitzte dann los und holte von einem nahe gelegenen Laden Wasser und Kekse (daran erinnere ich mich noch gut!). Was ich in der Zeit ohne ihn machte, weiß ich aber nicht mehr. Da die Schmerzen nur kurzzeitig besser wurden, bekam ich wenig später eine weitere Spritze. Dann kam meine Ärztin für eine kurze Kontrolle und entließ mich danach. Ich sollte nach meiner ersten Periode wieder zu ihr kommen und könnte weitere Schmerzmittel nehmen, falls ich sie bräuchte.

Der medizinische Part war damit beendet und für uns begann die emotionale Arbeit. Alles war so schnell gegangen. Ich hatte daran sehr lange zu knabbern und weinte viel. Es war so unbegreiflich. Ich hatte keine Schmerzen, keine Blutungen, überhaupt keine Anzeichen gehabt, dass etwas nicht stimmen konnte. Und ich fühlte mich so allein. Mein Mann tat alles, was er konnte, aber leider konnte er mir nicht wirklich helfen. Ich denke, das hätte niemand gekonnt.

Nach dem Weinen kam eine Zeit der Vorwürfe: Hatte ich zu viel Sport gemacht? War ich unvorsichtig gewesen? Hatte das eine Stück Tortenbrie vielleicht Auswirkungen gehabt oder der Räucherlachs? Was hatte ich nur falsch gemacht? Da es auf all diese Fragen keine Antwort gab, ging auch diese Zeit vorbei und auch wenn ich es nie geglaubt hätte, die Zeit heilte tatsächlich ganz ganz langsam die Wunden.

Nach meiner ersten Periode ging ich wieder zu der Frauenärztin. Sie sagte, dass alles normal sei und ich nach weiteren zwei Monaten wieder versuchen könnte, schwanger zu werden. Da wir aber wenn irgend möglich das Gleiche nicht noch einmal erleben wollten, baten wir sie um eine detailliertere Nachforschung, woran die Fehlgeburt gelegen haben könnte. Sie schlug einen 4D-Ultraschall meiner Gebärmutter vor, um die Herzform besser einschätzen zu können.

Dafür sollten wir uns in einem Ableger der Klinik in einem anderen Bezirk einfinden, da dort die richtigen Geräte waren. Sie würde dort anrufen, meinen Fall erklären und alles regeln. Als wir etwa 4 Wochen später in der Klinik waren, wusste niemand, was er tun sollte. Ich sollte plötzlich eine Zustimmung zu einer Narkose unterschreiben und angeblich hätte ich auch nüchtern zu der Untersuchung kommen sollen, wovon aber nie die Rede gewesen war. Nach einer knapp 2 stündigen Odyssee in dem Krankenhaus und mehreren Versuchen, die Ärztin telefonisch zu erreichen, gaben wir schließlich auf.

Wir hatten kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache und entschieden uns, als nächstes noch einmal zu der Ärztin zu gehen und sie zur Rede zu stellen. Bei diesem Termin tat sie selbst ganz überrascht und sagte, wir hätten nie versucht, sie zu erreichen oder ihre Sekretärin hätte nie versucht, uns zu ihr durchzustellen. Die beiden saßen in einem Zimmer nebeneinander...

Nach dieser Erfahrung entschlossen wir uns, das Ganze erst einmal ruhen zu lassen. Wir wollten einen möglichst entspannten Sommer verbringen und dann sehen, was die Zeit bringt. Dies taten wir auch. Unabhängig davon war meine jährliche Vorsorgeuntersuchung fällig und ich ging auf gut Glück zu einer staatlichen türkischen Frauenärztin. Mit ihr bin ich bis heute mehr als zufrieden! Sie ist kompetenter als meine erste private Ärztin und ich wünschte, ich wäre von Anfang an zu ihr gegangen.

Im September 2015 wurde ich wieder schwanger. Über meine zweite Fehlgeburt in der Türkei, die völlig anders verlief als die erste, berichte ich aber nochmal ausführlich in einem weiteren Post. Wer meine weitere Geschichte nicht kennt und hier zufällig vorbeischaut, inzwischen (Mai 2018) habe ich eine Tochter und bin zum vierten Mal schwanger. Wenn alles gut geht, werde ich im Herbst 2018 zum zweiten Mal Mutter.

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